23. Mai 2001

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Während der Dalai Lama Präsident Bush trifft, verschärft China seine Tibet Politik

Das Treffen des Dalai Lama mit dem US Präsidenten George Bush am 23. Mai ist für Peking von besonderer politischer Bedeutung, weil die Begegnung im Weißen Haus an eben dem Tag stattfindet, an dem die Chinesen den 50. Jahrestag ihrer "friedlichen Befreiung Tibets" begehen. Das Treffen in Washington folgt auf die Mitteilung einer Hongkonger Zeitung, daß "in wenigen Tagen" das Vierte Arbeitsforum zu Tibet unter dem Vorsitz von Präsident Jiang Zemin in Peking abgehalten wird, um die Richtlinien für die weitere Tibet-Politik festzulegen (Ming Pao, 19. Mai). Dem Blatt Ming Pao zufolge, das enge Drähte zu Peking haben muß, wird das Arbeitsforum "Verfügungen treffen, um den Einfluß des Dalai Lama unter den Gläubigen auszumerzen, damit das tibetische Volk seine Aufmerksamkeit mehr auf Tibets Entwicklung und Fortschritt richten kann"....

Die derzeitige Sorge der chinesischen Regierung über die internationale Unterstützung in der Tibet-Frage findet einen deutlichen Widerhall bei den Vorbereitungen für das Vierte Arbeitsforum, das sich vor allem auf den Umgang mit "der Annäherung und Zusammenarbeit bei den fünf bösen Kräften" richtet, worunter die Separatistenbewegung in Tibet, die Separatistenbewegung in Xinjiang, die Unabhängigkeitsbewegung in Taiwan, die spirituelle Bewegung Falun Gong und die chinesische Demokratiebewegung zu verstehen sind (Ming Pao, 19. Mai). Die Zeitung, welche das hauptsächliche Sprachrohr für chinesische Ansichten und Nachrichten in Hongkong ist, berichtet, das Zentralkomitee der Partei würde das Wesen des Dalai Lama "neu definieren" als den "Hauptvertreter der feudalen Leibeigenschaft, das loyale Werkzeug der westlichen anti-chinesischen Kräfte, den Hauptbösewicht, der versucht das Mutterland zu spalten und die Interessen des Landes und seiner Leute zu verraten".

Das vierte Arbeitsforum wird sich wahrscheinlich vornehmlich mit der Festigung der sozio-ökonomischen, kulturellen und religiösen Politik Chinas in Tibet beschäftigen, wobei die ideologische Betonung auf die Untergrabung des Einflusses des Dalai Lamas gelegt wird, den Peking als ein Hindernis für Tibets Entwicklung und wirtschaftlichen Fortschritt beschreibt. Das dritte Arbeitsforum, das im Juli 1994 in Peking abgehalten wurde, präsentierte die grundlegendste Umgestaltung der Tibet betreffenden Politik seit der Lockerung der kompromißlosen maoistischen Strategien von 1979-80. Ming Pao schrieb am 19. Mai: "Das bevorstehende Forum wird betonen, daß der Kampf gegen die Dalai Clique ein Kampf gegen einen Feind ist, der nicht die geringste Unentschlossenheit zuläßt". Dem Blatt zufolge werden bei dem Forum alle sieben Mitglieder des Ständigen Ausschusses des Politbüros der CCP (Kommunistische Partei Chinas) vertreten sein, einschließlich Jiang Zemins in seiner Funktion als Generalsekretär und Zhu Rongji, was schließen läßt, daß das Forum von äußerster Wichtigkeit für die Partei ist.

Die Chinesen intensivierten ihre Angriffe auf den Dalai Lama im Vorfeld zu dem 50. Jahrestag der Unterzeichnung des 17-Punkte-Abkommens zwischen Tibet und China, welches Peking zufolge die Einverleibung der jetzigen Autonomen Region Tibet in China, sowie den Einmarsch der Volksbefreiungsarmee in dieses Gebiet und die darauffolgende Umsetzung der von Peking in den letzten 50 Jahren ersonnenen Politiken legitimiert. Die chinesischen Medienberichte reflektieren Pekings permanente Frustrierung über die Loyalität für den Dalai Lama unter Tibetern und besonders über die gute Aufnahme, die er bei westlichen Regierungen und Weltpolitikern findet. Leitartikel in der chinesischen Presse in den letzten Tagen mahnten die USA "Tibet sei eine rein interne Angelegenheit Chinas".

Während der bisherige US Präsident Bill Clinton nur relativ informell mit dem im Exil lebenden tibetisches Oberhaupt zusammentraf, indem er kurz bei ihm "hereinschaute", wird am 23. Mai eine offizielle Begegnung Präsident Bushs mit dem Dalai Lama in seiner in den oberen Stockwerken gelegenen privaten Residenz im Weißen Haus stattfinden. Anwesend werden, wie aus Washington verlautet, mehrere der wichtigen Berater des Präsidenten sein, darunter Vizepräsident Richard Cheney, die nationale Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice und der Stabschef im Weißen Haus Andrew Card.

Der Besuch des taiwanesischen Präsidenten Chen Shui-bian bei einem dreitägigen Zwischenaufenthalt in den USA hat diese Woche zusätzliche Spannung zwischen China und den USA verursacht, besonders nachdem der taiwanesische Präsident am 21. Mai in New York mit Kongress-Abgeordneten zusammengetroffen war.

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